Sicherheit in unsicheren Zeiten. Rede zum Delegiertentag der Gewerkschaft der Polizei Sachsen-Anhalt
Liebe Frau Emmel,
Lieber Herr Körner,
Lieber Uwe Bachmann!
Liebe Delegierte und Mitglieder der GdP!
Vielen Dank für Ihre Einladung und die Gelegenheit, einige wenige Worte aus grüner Perspektive an Sie richten zu dürfen.
Ich will mit einer grundsätzlichen Bemerkung starten: Sie scheint mir angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine, des Terrors, der Kriege und auch Kriegsverbrechen im Nahen Osten, angesichts des Wahlsieg eines Faschisten und verurteilten Kriminellen in den USA, angesichts der Klimakrise und einer unüberschaubar groß gewordenen Zahl an hybriden Bedrohungen notwendig: Sicherheit in Deutschland und Europa ist keine Selbstverständlichkeit. Sicherheit, sie steht in unserer eigenen Verantwortung.
Diese Sicherheit war auch nie selbstverständlich. Aber wir haben uns lange glauben gemacht, sie könnte selbstverständlich sein oder würde von anderen, beispielsweise den USA, garantiert.
Entsprechend wenig waren – und sind! – wir auf die hybriden Bedrohungen unserer äußeren und inneren Sicherheit als Gesellschaft und Individuen vorbereitet.
Desinformationskampagnen, Cyberangriffe, Brandsätze in Flugzeugen, Mordanschläge wirtschaftliche Erpressungsversuche, all das passiert in unserem Land derzeit und geht von Russland aus. Wir sehen zeitgleich Bedrohungen durch andere Akteure, zum Teil verschränkt: tödliche islamistische Terrortaten, alte und neue rechte Terrornetzwerke, Umsturzfantasien, …
Die Krisen und Bedrohungen fordern uns heraus, geopolitisch, in unserer völkerrechtlichen Verpflichtung und in einer systemischen Auseinandersetzung zwischen Demokratie und Autokratie. Der Wahlsieg Trumps hat diese Kämpfe um ein menschenwürdiges Leben für alle, um gemeinsame Sicherheit auf dieser Erde, schwerer gemacht.
Umfragen zeigen: auch für die Menschen in Sachsen-Anhalt gewinnt das Bedürfnis nach Sicherheit an Bedeutung, obwohl die Kriminalitätsraten im langfristigen Trend sinken und gerade Gewaltkriminalität sich über die Jahrzehnte deutlich verringert hat.
Auf Verschlechterungen der Sicherheitslage – wir haben das im Rahmen steigender Fallzahlen von Jugendkriminalität in Halle erlebt – reagieren Menschen sehr sensibel. Und ich bin nicht nur deshalb froh, dass es mit einem gemeinsamen und interdisziplinären Ansatz gelungen ist, diese Kriminalität wieder zurückzudrängen. Dass Prävention und Repression hier Hand in Hand gingen. Dafür gebührt auch der Polizei ein wichtiger Dank!
Gerade auf dem Land aber öffnet sich die Schere zwischen wahrgenommener und tatsächlicher Kriminalitätsbelastung immer weiter. Diese gegenläufigen Entwicklungen sind nur vor dem Hintergrund globaler Krisen und einer großen Verunsicherung der Menschen zu verstehen.
Und ich habe noch nicht das Gefühl, dass wir als gesellschaftliche Akteure und Institutionen, dass wir als Politik auf Bundes- oder auf Landesebene darauf angemessen reagieren. Die Politik der Bundesregierung, das leichtfertige Spielen mit einem Aus der Regierung durch immer neue Selbstbespiegelung, wird dem Ernst der Lage nicht gerecht. Der geplante und mit dem Rasenmäher angesetzte Kürzungskurs der Landesregierung, die verzögerte Haushaltsaufstellung im Land, die sind schlecht. Und wir wollen da als GRÜNE anders agieren.
Und auch reflexhaftes Handeln und das Tuten in immergleiche Hörner hilft nicht, wenn die Weltlage sich fundamental verändert: Ich sage das vor dem Hintergrund, wenn im Angesicht einer Gewalttat, auch einer terroristischen Gewalttat, immer nur der Ruf nach mehr Härte und neuen gesetzlichen Befugnissen erschallt. Ich sage das, wenn in Folge von Straf- und Gewalttaten, ja auch von Terror, nicht solche abscheuliche Gewalt, sondern Menschen mit Migrationsgeschichte oder Muslime zum Problem deklariert werden.
Das Asylrecht ist ein Thema der Humanität. Und gelingende Migration ist für Sachsen-Anhalt eine Zukunftsfrage. Mit Abschottung werden wir diese Zukunftsfrage ebenso wenig lösen können, wie mit rassistischer Abwehr. Wir brauchen Lösungen und wenn sicherheitspolitische Bedrohungen auftauchen, dann sollten wir bei den Gegenmaßnahmen die wirksamen Strategien von den symbolpolitischen hektischen Aktivitäten trennen. Und niemals darf das Zeigen auf vermeintlich Schuldige die Suche, das Ringen, um echte Lösungen überlagern.
Der Dialog oder auch Streit über Sicherheitsmaßnahmen, gar Sicherheitspakete und deren Wirksamkeit, ist mit Ihnen von der Gewerkschaft der Polizei regelmäßig sehr konstruktiv. Ich bin Ihnen und Ihren Vertreter*innen in Bund und Land auch dankbar, dass sie in einer Welt ständig steigenden Sicherheitsbedürfnisses regelmäßig auch auf die Grenzen des Möglichen verweisen.
Für uns GRÜNE ist wichtig, auch in Zeiten, in denen Befugnisse der Sicherheitsbehörden ausgebaut werden, die Transparenz polizeilichen Handelns und das bürgernahe Auftreten der Polizei zu stärken. Immer mehr Bewaffnung, Aufrüstung um jeden Preis, braucht es nicht. Und ein erhöhtes Sicherheitsgefühl bei Bürger*innen erreichen wir nicht durch immer mehr Polizei, sondern durch Polizist*innen, die im Alltag kompetent erlebt werden, die nahbar sind und die deeskalierend wirken. Auch wenn das in begründeten Fällen die überprüfbare Anwendung von Gewalt nicht ausschließt.
Ich will nicht, dass wir das Geld für die Polizei in Taser stecken. Ich will, dass wir endlich die Polizeiverwaltung ausbauen und personell verstärken! Ich will die Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage und ausreichend Beförderungsmittel. Das schafft Sicherheit!
Wir setzen uns als GRÜNE auch weiterhin dafür ein, dass Sie die Instrumentarien und Möglichkeiten an die Hand bekommen, eine professionelle, lernende Organisation mit einer gelebten Fehlerkultur zu sein. Wir sind davon überzeugt, das trägt zu Ihrer Sicherheit und der der Bürger*innen bei.
Auch deshalb streiten wir für die Einrichtung des Amtes eines unabhängigen und beim Landtag angesiedelten Polizeibeauftragten. Die per Verwaltungsvereinbarung durch die Landesregierung organisierte Änderung der Bezeichnung der zentralen Beschwerdestelle begegnet aus unserer Sicht ernst zu nehmenden Zweifeln. Ein solcher Polizeibeauftragter darf gerade nicht der verlängerte Armt der Ministerin und der Disziplinarbehörde sein, wenn Beamt*innen mit ihm vertrauensvoll zusammenarbeiten sollen.
Sachsen-Anhalts Polizei steht als Teil unserer Gesellschaft und als eine Garantin von Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit auch vor weiteren Herausforderungen: Das Gewinnen neuer Nachwuchskräfte und der Wissenstransfer sind dabei sicher große Brocken.
Wir haben auf unserem Polizeikongress herausgearbeitet, welche Aufgabe die Polizei in Zukunft haben soll, welche Menschen wir für diese Polizei gewinnen möchten, wie wir diese Menschen ansprechen können und ob das aktuell in Sachsen-Anhalt bereits gelingt.
Ich begrüße es daher sehr, dass sich die Junge GDP mit dem Potsdam Paper auf ihrem 1. Zukunftskongress genau mit diesen Fragen auseinandersetzt und innerhalb der Polizei damit wieder mal voran geht.
Ich wünsche Ihrem Landesdelegiertentag heute in Wernigerode allen denkbaren Erfolg. Und uns allen mehr gemeinsam erarbeitete Sicherheit in herausfordernden Zeiten!