11. Oktober 2023

Solidarität mit den Menschen in Israel

Rede auf der Kundgebung in Solidarität mit Israel am 11. Oktober 2023 auf dem Alten Markt in Magdeburg.

Liebe Magdeburgerinnen und Magdeburger.
Liebe Gäste aus anderen Teilen unseres Landes.

Für die Bilder aus dem Süden Israels, für die letzten Textnachrichten von Getöteten an ihre Lieben, für die herzzerreißenden Schilderungen von Überlebenden des Terrors, für die Berichte von Rettungskräften und israelischen Soldaten gibt es aus der Perspektive des sich in mitteleuropäischer Sicherheit wiegenden Sachsen-Anhalters kaum angemessene Worte. Für das, was am 7., 8. und 9. Oktober geschehen – nein! – konkret mit bösartigem Vorsatz und geplant begangen worden ist, verlassen wir vielfach den Raum des Sag- und Vorstellbaren

Wir wissen inzwischen von mehr als 1.200 Toten, tausenden Verletzten, deutlich mehr als 100 in Geiselhaft genommenen Menschen. Die barbarischen Verbrecher der radikalislamischen Hamas haben mindestens 260 Besucher*innen einer Rave-Party, hunderte Kibbutznik, Babys, Kinder, Eltern, Großeltern, Polizist*innen, Soldat*innen, niedergemetzelt. Todesschwadronen der Hamas und des Islamischen Dschihad gingen in israelischen Städten und Dörfern wie Kfar Aza, Be’eri, Sderot oder Ofakim von Haus zu Haus und schossen die Bewohner*innen nieder. Tausende Raketen wurden und werden durch Terroristen auf Israel abgefeuert. Eine Vielzahl an Menschen, insbesondere junge Frauen und auch Kinder, wurden in den Gazastreifen entführt und sind dort massiver auch sexueller Gewalt und Unterdrückung ausgesetzt.

Seit der Shoa sind an einem Tag nie mehr Jüdinnen und Juden auf so brutale Weise und wegen ihres Glaubens ermordet worden. Ein Pogrom und Terror gegen ein ganzes Land.

Mindestens 1200 Tote, das heißt in einem Land, das wie Israel nicht einmal zehn Millionen Einwohner*innen hat auch, dass jede und jeder Israeli einen, oft mehrere Getötete kennt. Es sind nicht abstrakte Zahlen, es geht nicht um Statistik, sondern um Individuen, Mütter, Väter, Schulkinder, Musikbegeisterte, Studentinnen, Tänzer, Menschen mit Träumen und Zukunftsplänen, die getötet wurden: Es sind Menschen mit Namen, einer Geschichte, keine Nummern. Der monströse antisemitische Terror hat tausendfach Menschen zu Opfern und Betroffenen gemacht. Was am letzten Wochenende in Israel passiert ist, manifestiert ein wiederkehrendes Trauma.

Der Treiber hinter diesem Terror heißt Antisemitismus. Es ist der Hass auf Jüdinnen und Juden, der hinter diesen barbarischen und niemals rechtfertigbaren Taten steht. Hass, seit Jahrhunderten kultiviert und immer wieder mörderisch. Mörderischer Hass, der von diktatorischen Regimen wie dem Iran und Terrorgruppen wie der Hamas benutzt wird, um zu unterjochen, zu töten und eigene Ziele durchzusetzen.

Wir können, wir werden nicht dulden, dass auf deutschen Straßen die Verbrechen der Terroristen beklatscht und gefeiert werden. Und ich erwarte, dass alle hier lebenden Menschen sich zu den unverwirkbaren Menschenrechten, zur Würde eines jeden Menschen bekennen. Das schließt die Duldung von oder ein Lob des Terrors aus. Dass neu in Deutschland beheimatete Menschen zum Teil auch antisemitische Einstellungen pflegen, ist ein Integrationsversagen. Allerdings eines, welches sich auch die Mehrheitsgesellschaft zurechnen lassen muss.

Denn Antisemitismus ist in diesem, unserem Land, nun wahrlich kein allein importiertes Problem. Die Shoa wurde von Deutschen ersonnen, geplant und durchgeführt. Der antisemitische, rassistische und frauenfeindliche Anschlag von Halle und Wiedersdorf wurde nicht von Ausländern ausgeführt. Und so lange in diesem Land Wahlen von Menschen gewonnen werden, die mit antisemitischen Flugblättern in der Schule erwischt worden sind, sollten wir unsere gemeinsame Verantwortung zur Bekämpfung des Antisemitismus erkennen, statt ins Fingerzeigen zu verfallen.

Ich stehe, wir alle stehen an der Seite Israels und seiner Bevölkerung. Und wenn wir diesen Satz ernst nehmen, dann kann sich das nicht auf Betroffenheit und eine Kundgebung beschränken. Freunde helfen einander.

In Deutschland und in Sachsen-Anhalt muss sichergestellt werden, dass keine Ressourcen aus unserem Land mehr an die Hamas und deren Terrorhelfer gehen. Wo notwendig sind entsprechende Vereinsstrukturen zu verbieten, Organisierte Kriminalität, die auch der Terrorfinanzierung dient, muss zurückgedrängt werden. Es braucht eine diplomatische Offensive, um die Hintermänner des Terrors und seine Finanziers offenzulegen.
Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung auch prüft, wie Israel militärisch unterstützt werden kann, um sich selbst gegen diesen Terror zu verteidigen und Geiseln zu befreien. So bitter das ist, es ist notwendig.

Krieg aber wird keinen dauerhaften Frieden bringen. In Israel, der einzigen Demokratie im Nahen Osten, läuft bereits die Debatte, welchen Beitrag die Politik einer in Teilen rechtsextremen Regierung zu dieser massiven Eskalation der Gewalt geleistet hat. Und ob der militärische Schutz zum Teil illegaler Siedlungen nicht zu Lasten des Schutzes der eigenen Bevölkerung gegen den Terror der Hamas ging und wer dafür die Verantwortung trägt. Die offen gestellte Frage nach Verantwortung ist nur in Demokratien möglich. Und ich bin sicher, unsere israelischen Freundinnen und Freunde werden sie für sich beantworten. Und sie benötigen dafür keine Ratschläge aus Deutschland.

Leid ist nicht auf Israelis begrenzt. Auch die Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens leidet unter dem Terror der Hamas. Entweder direkt durch Verfolgung oder indirekt, durch die tödliche Gefahr der israelischen Militärschläge, die auch Zivilisten treffen. Der verzweifelte Schrei einer Mutter um ihr totes Kind ist in Ivrit so unerträglich wie in arabisch. Die Gewalt muss enden. Sie wird überhaupt nur enden können oder eingedämmt werden, wenn Gaza vom Terror der Hamas befreit wurde.

Ich durfte gestern Abend in Halle bei einer Lesung von Rabbinerin Rebecca Blady, einer Überlebenden des Anschlags von Halle und Wiedersdorf dabei sein. Ihre für mich wichtigsten Sätze waren: „We have the privilege to see each other as humans.“ / „Wir haben als Menschen das Privileg uns als Menschen zu erkennen.”

Wo sich Menschen als Menschen erkennen, bleibt kein Raum für Terror. Deshalb muss unser Anspruch sein, dieses Privileg auch zu nutzen.

Herzlichen Dank!